Breitbandtechnologien sind die Zukunft der einsatzzkritischen mobilen Kommunikation. Für Bernhard Klinger, Chief Strategy Officer bei HMF Smart Solutions, ist das sicher: „Es steht längst nicht mehr die Frage im Raum, ob Breitbandtechnologien eingesetzt werden, sondern wir müssen darüber diskutieren, in welcher Weise und ab wann.“
Auf dem Europäischen Polizeikongress in Berlin hat der Experte für das Thema Breitband bei HMF Ende Februar im BOS-Anwenderforum sowie im Fachforum „Sichere mobile Kommunikation“ zum Thema „Wege in die neue digitale Welt: Die Zukunft der neuen Technologie 5G, Hybridnetze und LTE. Welcher Weg führt hin?“ referiert. Im folgenden Interview erläutert Bernhard Klinger, inwiefern sich 5G für missionskritische Breitbanddienste eignet und was bei der Mitnutzung kommerzieller Breitbandnetze zu beachten ist.
Warum ist die 5G-Technologie für den einsatzkritischen Bereich so interessant?
Der 5G-Standard, also das Mobilfunknetz der 5. Generation, soll sich vor allem durch seine anwendungsgerechte Flexibilität auszeichnen. Mit einem Datendurchsatz von bis zu 10 Gigabit pro Sekunde/Teilnehmer, einer Zuverlässigkeit von 99,999 Prozent und der Möglichkeit, bis zu 1 Million Geräte pro Quadratkilometer zu unterstützen, setzt 5G vermutlich Maßstäbe.
Dazu verspricht 3GPP, die weltweite Kooperation von Gremien für die Standardisierung von 5G, Langlebigkeit von Funksensoren, die allein bis zu 15 Jahre ohne Batteriewechsel auskommen sollen. Die Reaktionszeit (Latenzzeit) beträgt weniger als 1ms. Dank Network Slicing, das sind parallel betriebene virtuelle Netze auf Basis gleicher physikalischer Infrastruktur, kann 5G schnell und flexibel auf die Anforderungen zukünftiger sicherheitskritischer Anwendungen reagieren.
Durch die 5G-Luftschnittstelle New Radio lässt sich 5G in jedem Frequenzband zwischen 450 MHz und 90 GHz betreiben – und das alles nur mit einer Luftschnittstelle. Mit Multi Edge Computing (MEC) wird die Berechnung des Datenverkehrs und der Services von einer zentralen Cloud zur Netzwerkperipherie – und somit deutlich näher zum Nutzer –verlagert.
Anstatt alle Daten zur Verarbeitung in eine zentrale Cloud zu senden, werden die Daten bereits im sogenannten Netzwerk-Edge (also am Netzwerkrand) analysiert, verarbeitet und gespeichert. Durch die Erfassung und Verarbeitung der Daten viel näher am Nutzer wird die Latenz, also die Reaktionszeit des Systems, deutlich verringert und eine Echtzeitreaktion des Systems für Anwendungen mit hoher Bandbreite ermöglicht.
Ist 5G für einsatzkritische Anwendungen geeignet?
5G ist aufgrund seiner Flexibilität in Bezug auf die Dienste also den Anwendungen, den Datendurchsatz sowie bei den Frequenzen allgemein für einsatzkritische Anwendungen geeignet ist. Allerdings sind die Anforderungen an die Verfügbarkeit und an die Sicherheit eines Kommunikationssystems technologieunabhängig. Man kann daher sagen: 5G ist durchaus für einsatzkritische Anwendungen geeignet, aber nur wenn die technologieunabhängigen Anforderungen an Verfügbarkeit und Sicherheit vollumfänglich erfüllt sind.
Warum ist aus Ihrer Sicht eine Standardisierung der Funktechnologie 5G insbesondere für einsatzkritische Anwendungen so wichtig?
Standardisierung schafft echten Wettbewerb und ermöglicht damit die freie Wahl zwischen verschiedenen Anbietern. Die Kunden werden somit unabhängig und sichern damit langfristig getätigte Investitionen. Außerdem ist nur durch verbindliche Standards das reibungslose Zusammenspiel zwischen Produkten unterschiedlicher Hersteller möglich. Darüber hinaus garantieren sie Qualität und Innovationen zu niedrigen, marktgerechten Preisen. Damit schaffen sie die Grundlage für bezahlbare Lösungen.
HMF Smart Solutions unterstützt ebenso wie der Bundesverband Professioneller Mobilfunk (PMeV) als Netzwerk sichere Kommunikation, in hohem Maße die Verwendung von offenen Standards, insbesondere im Bereich der einsatzkritischen Kommunikation. Denn nur durch Standards kann sich das wahre Potenzial der kommenden Breitbandgeneration voll entwickeln und ist damit einer der Schlüssel, unsere offene, aber auch zunehmend verletzlicher gewordene Gesellschaft besser zu schützen.
Wie ist die Frequenzsituation für Breitband in Deutschland?
Für die BOS, also die Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben, sind bereits zweimal 8 MHz im 700 MHz Frequenzband im Frequenznutzungsplan fest verankert. Ursprünglicher Plan der Bundesnetzagentur war es, Ende 2020 freiwerdende Frequenzen im 450-MHz-Bereich bundesweit für Anwendungen kritischer Infrastrukturen zur Verfügung zu stellen. Mittlerweile hat jedoch das Bundesministerium des Innern Anspruch auf den kompletten 450 bis 470 MHz Bereich angemeldet.
Den Frequenzbereich 3,7 bis 3,8 GHz plant die Bundesnetzagentur ebenso wie Frequenzen im 26 GHz Bereich, per Antragsverfahren, technologie- und dienstneutral für lokale bzw. regionale Anwendungen zuzuteilen. Laut Bundesnetzagentur können so auch lokale Anwendungen durch kleine und mittlere Unternehmen oder Start-Ups, mit einem erst zukünftig auftretenden Frequenzbedarf, sowie Gemeinden und Vertreter der Land- und Forstwirtschaft das Potenzial der kommenden Mobilfunkgeneration 5G für Anwendungen in der Wirtschaft und Industrie nutzen.
Sind denn kommerzielle Breitbandnetze für einsatzkritische Anwendungen überhaupt geeignet?
Ja, allerdings nur unter bestimmten Bedingungen: Kommerzielle Breitbandnetze sind für einsatzkritische Anwendungen nur geeignet, wenn deren Verfügbarkeit und Sicherheit durch rechtliche, administrative und vertragliche Rahmenbedingungen vollumfänglich garantiert ist. Ein Aufweichen der Voraussetzungen oder auch nur die Nichterfüllung eines einzigen Kriteriums würden den Schutz von Menschen, der öffentlichen Sicherheit und der Wirtschaft gefährden.
Schmalband vs. Breitband – Wie sieht die Entwicklung ihrer Meinung nach aus?
Schmalbandsysteme (z. B. TETRA) werden für die nächsten zehn bis 15 Jahre weiterhin am Markt verfügbar sein und sichere einsatzkritische Sprachkommunikation gewährleisten. Die Vorteile von mobilen Breitbandanwendungen zur Erhöhung der Sicherheit und Effizienz der Nutzer, können bereits jetzt genutzt werden.
Zum einen stehen LTE-Netze kommerzieller Netzbetreiber bereits großflächig für einsatzunterstützende Breitbandanwendungen zur Verfügung. Zum anderen gibt es bereits entsprechende Produktlösungen für den kritischen Einsatz, beispielsweise hybride Endgeräte wie die Hytera Multimode Advanced Terminals PTC760 und PDC760 mit TETRA bzw. DMR Technologie für einsatzkritische Sprache und LTE für einsatzunterstützende breitbandige Datenanwendungen in nur einem Gerät. Mit der taktischen Ad-hoc-Breitbandlösung der Hytera iMesh-3800 Serie lassen sich zudem schnell selbstkonfigurierende, mobile breitbandige Netze für einsatzkritische Anwendungen aufbauen, beispielsweise bei Großveranstaltungen oder im Umfeld einer Großschadenslage.